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nordwest-zeitung

Zisch Ehrenamtliche greifen unter die Arme

Wildeshausen - „So viele Menschen können ohne die Tafel nicht auskommen, das hat mich erschreckt und tat mir Leid“, bemerkt Valentina, Schülerin der Klasse 9. „Ich würde auch zur Tafel gehen, wenn ich zu wenig zu essen hätte.“ Hier werden alle Kunden respektvoll behandelt, stellt Schüler Yilmaz fest.

Tafel Wildeshausen

Der Verein „Wildeshauser Tafel“ wurde 2009 gegründet.

Die Tafel sammelt Lebensmittel bei örtlichen und regionalen Unternehmen ein, heißt es auf der Website der Wildeshauser Tafel.

Der Wildeshauser Verein sorgt für die wöchentliche Ausgabe von Lebensmitteln an registrierte Kunden, heißt es weiter.

Die Arbeit der Tafel kann als Förderer, Vereinsmitglied oder Sponsor unterstützt werden. Auch als ehrenamtlicher Mitarbeiter kann man helfen. Infos dazu gibt es auf der Website der Wildeshauser Tafel.

Die Kollegen seien toll, es mache sehr viel Spaß, sprudelt es aus ihm heraus. Unser Arbeitseinsatz bei der Wildeshauser Tafel liegt schon einige Monate zurück. Alle Schüler der Klasse haben dort für einige Zeit geholfen. Brot ausgeben durfte Finn oft, manchmal auch zusammen mit Ulrich Becker von der Tafel, das war super. Lisan sortierte Pilze und gab diese an die Kunden weiter. Rumen schleppte viele Kisten und räumte im Keller die Paletten frei. Yilmaz durfte sogar einmal im Büro helfen, dort gab es viel zu tun. „Ich hab das Geld von den Kunden angenommen, in eine Tabelle die Summe eingetragen und die Kasse abgerechnet, das war super“, erzählt Yilmaz strahlend. Im Rahmen des Zisch-Projektes steht nun ein Interview mit den Helfern bei der Einrichtung bevor. Die Frage „Was bringt ehrenamtliche Arbeit“ soll dabei im Mittelpunkt stehen.

Sprachvielfalt

„Ihr wart ja viele Stunden hier, dafür möchte ich mich bedanken“, begrüßt uns Peter Krönung (73), der seit acht Jahren dabei ist und die Tafel inzwischen leitet. „Als ich verrentet wurde, hatte ich nicht viel zu tun, da bin ich dann zur Tafel gegangen.“

„Unsere Erfahrungen mit den Schülern sind sehr gut, sie haben gut mitgemacht und waren zu den Kunden sehr freundlich“, ergänzt Doris Hauth (75). Sie ist seit der Gründung der Tafel 2009 engagiert dabei. Rumen konnte sich auf Bulgarisch, Yilmaz und Lisan auf Kurdisch unterhalten, das kam bei den Kunden an. Sie fanden es gut, sich ihrer Muttersprache bedienen zu können. Immer wieder gab es Kunden, die sich über die Sprachvielfalt der Schüler gefreut haben.

„Macht Sie die Arbeit bei der Tafel glücklich?“, fragt Yilmaz. „Wir können Leuten unterschiedlichster Nationalität helfen, geben ihnen Essen, bekommen ein dankbares Feedback zurück und bieten ihnen auch Gesprächsmöglichkeiten. Das ist gerade auch für ältere Kunden wichtig, die allein sind. Viele kann ich mit Namen ansprechen, das ist wichtig für die Menschen, der Gang zur Tafel bietet Abwechslung im Leben“, berichtet Klaus-Peter Breßler. Auch Doris Hauth bestätigt, dass viele ältere Kunden sehr einsam sind. „Schon öfter haben wir erlebt, dass Menschen hier weinen, weil sie zur Tafel kommen müssen, sie fühlen sich beschämt. Diese Menschen versuchen wir zu trösten und wieder aufzubauen. Ich wünsche mir, diese Arbeit noch viele Jahre machen zu können. Es ist ein gutes Gefühl, die Menschen unterstützen zu können“, so Doris Hauth.

Hemmschwelle

„Wenn ich nach Hause gehe, bin ich meistens zufrieden und glücklich. Dann brauche ich erst einmal eine Pause, einen Tee und schon bald freue ich mich auf den kommenden Mittwoch“, ergänzt Klaus-Peter Breßler.

Die erste Hemmschwelle muss von vielen Kunden überwunden werden. „Wenn sie hierher kommen, wissen ja alle, dass sie nicht genügend Geld zur Verfügung haben, das beschämt die Menschen. Da versuchen wir immer Mut zu zusprechen und die persönliche Ansprache hilft da sehr“, so Peter Krönung.

„Zurzeit haben wir 85 ehrenamtliche Mitarbeiter und leisten etwa 14 000 Stunden im Jahr. Unser Arbeitsfeld ist sehr weitläufig, wir haben allein schon 17 Fahrer, in der Regel Rentner. Wir müssen uns dringend verjüngen“, so Peter Krönung, „Deshalb sind wir für Projekte mit Schulen auch sehr offen. Man kann sagen, dass wir echte Nachwuchsprobleme haben. Es gibt hier nur einen angestellten Helfer, er ist schon sieben bis acht Jahre hier und wir brauchen ihn unbedingt.“

Vertrautes Umfeld

„Wir beschließen den Tag immer mit einer Abschlussrunde, es gibt Kaffee und Kuchen, wir können den Tag nochmals Revue passieren lassen und uns unterhalten“, so Doris Hauth. Das gemeinsame Mittagessen ist auch ganz wichtig. „Gestärkt gehen wir dann in die Ausgabe, die von 14 bis 16 Uhr dauert. Das reicht aus“, berichtet Peter Krönung. Denn inzwischen gibt es auch eine Ausgabe in Ahlhorn, die freitags geöffnet hat.

„Unsere Kunden müssen einen kleinen Obulus bezahlen“, berichtet Klaus-Peter Breßler (79). Er kommt ursprünglich aus der Lebensmittelindustrie und hat große Kaufhäuser geleitet. Die Verwaltung der Tafel, die Arbeit im Büro braucht viel Zeit, berichtet er. „Alle waren freundlich zu mir, die ehrenamtlichen Helfer und die Kunden“, so Lisan. Alles habe sich für sie schnell vertraut angefühlt – als ob sie alle Mitarbeiter schon jahrelang kennen würde. „Das war schön“, ergänzt Valentina.

Und nun zurück zu unserer Frage: Was bringt mir eigentlich ehrenamtliche Arbeit? Wir, Finn, Lisan, Rumen, Valentina und Yilmaz wissen es jetzt, weil wir es erlebt haben. Die Leser müssen jedoch ihre eigenen Erfahrungen sammeln, sagen sie.

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