Wilhelmshaven - Wenn das Publikum am Ende des gut zweieinhalbstündigen Konzertes von Michy Reincke lautstark „So schön“ skandiert, dann stimmt es nicht nur in den Refrain der Zugabe ein, sondern bringt zeitgleich zum Ausdruck, wie gut man sich an diesem Abend wieder einmal unterhalten gehalten gefühlt hat. Und genau das ist Reinckes Absicht gewesen, wie er zwischendurch immer wieder erzählt. Ein Gute-Laune-Abend, bei der er für Liebe, Humor, Mut und Vertrauen werben möchte. Es ist ihm gelungen.

„Die Pflanzen rauben uns den Sauerstoff“ ist der Titel der aktuellen Konzertreise vom Michy Reincke Akustik Trio, die im Pumpwerk ihren Auftakt erlebt. Mit dabei Filip Mitov (Piano) und Florian Fleischer (Gitarre), der sich später am Abend für sein Solo zu „Es ist alles Musik“ verdientermaßen stehende Ovationen abholt. Aber zurück zum Anfang. In der ihm eigenen Art erklärt Reincke episodenhaft den Tour-Titel. Zusammengefasst: Als es nur Pflanzen auf der Erde gegeben habe, sei der Sauerstoffanteil in der Atmosphäre von 30 auf 21 Prozent gesunken. Vielleicht, so seine Schlussfolgerung, hätte die Hochkultur der alten Ägypter daher die Sahara von einer Steppe zur Wüste gewandelt und die Bewohner der Osterinseln ihr Eiland komplett abgeholzt. Sicher ist sicher.

Musikalisch geht es nicht ganz so weit zurück, aber auch Reinckes Werk umfasst inzwischen gute 40 Jahre. Mit „Niemand kommt so selten vor“ und „Nach ganz oben“ präsentiert sich der 64-Jährige vom ersten Takt an gewohnt leidenschaftlich und ausdrucksstark. Nach „Wir fliegen vorbei“ verlässt er kurz die Bühne. „Ich muss mal was trinken, solange könnt ihr Jazz spielen“, erklärt er seinen Mitstreitern. Aber ruckzuck ist Reincke zurück. „Andere Künstler hätten sich jetzt umgezogen. Aber ich sehe schon gut aus, bin an einem Spiegel vorbeigekommen.“ Das lachende Publikum betätigt ihn.

Viel Vergnügen bereitet auch seine Theorie, die gesamte Menschheit würde im Kurpark Platz finden - theoretisch. 1.600 Menschen versammeln sich dort und haben jeweils 50.000 weitere auf den Schultern, alles innerhalb der Erdatmosphäre. „Die Zahlen stimmen“, schwört Reinecke, gibt aber zu, sich ein paar gute Geschichten habe ausdenken müssen, weil er den Tour-Titel so super fand. Mit „Für immer blond“, für das sich Reincke Britta aus dem Publikum als Verstärkung auf die Bühne holt und „Nächte übers Eis“ geht es nach knapp 90 kurzweiligen Minuten in die Pause.

Die zweite Halbzeit ist stärker von Songs geprägt, beginnt langsam und balladesk, um dann Richtung Finale mit den Klassikern „Taxi nach Paris“ und „Valerie, Valerie“, bei denen das Publikum begeistert mitsingt und mitklatscht, die Stimmung auf den Höhepunkt zu treiben. Die Zugabe „So schön“ ist die perfekte Bilanz eines wunderbaren Tour-Auftakts.

Lutz Rector
Lutz Rector Stellv. Redaktionsleitung, Wilhelmshavener Zeitung