Wangerland - Apotheken ohne Apotheker? Was kaum denkbar scheint, könnte doch bald Realität werden. Und das, obwohl es massiven Widerstand gibt. Trotzdem plant das Gesundheitsministerium seit langem eine Apotheken-Reform und hat nun einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Zwar wurde die Entscheidung erst einmal vertagt. Dennoch scheint eine Änderung der Apotheken-Landschaft wohl unausweichlich zu sein. Wieso das schlimm und keinesfalls eine Verbesserung der schwierigen Situation ist, erklären zwei Apotheker aus dem Wangerland.
Kein gleichwertiger Ersatz
„Die im Gesetzesentwurf enthaltene Änderung, auf Apothekerinnen und Apotheker in Apotheken zu verzichten sowie die Ausstattung und Öffnungszeiten von Apotheken einzuschränken, würde gerade in einem Flächenland wie Niedersachsen zu erheblichen Versorgungslücken führen“, teilte unter anderem auch die Apothekerkammer Niedersachsen mit.
Der Plan: Statt studierten Apothekern sollen künftig sogenannte Pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) die Aufgaben übernehmen. „Der große Unterschied ist aber nun mal, dass wir studiert haben und die PTA eher als Unterstützung zu sehen sind“, erklärt Bettina Schinke, Leiterin der Sonnen-Apotheke im Wangerland. „Das ist eher ein technischer Beruf, da geht es vor allem um die Herstellung und Rezeptur von Arzneimitteln. Bei der Beratung der Kunden hört es dann meistens auf.“ Besonders, da neue Medikamente heutzutage immer komplizierter werden.
Unverständnis
Christof Ueberschaar, Leiter der Apotheke Hooksiel, schüttelt den Kopf, wenn er über die geplante Reform spricht. „Manchmal habe ich den Eindruck, dass Herr Lauterbach (Bundesminister für Gesundheit, Anmerkung der Redaktion) das als Schuhverkauf sieht“, sagt er. „Aber ein falsches Paar Schuhe kann nicht lebensgefährlich sein. Apotheker sind eben nicht nur Verkäufer.“ PTA seien wegen ihrer Ausbildung fachlich schlicht nicht in der Lage, einen Apotheker adäquat zu ersetzen.
Und auch zu dem Plan, die Öffnungszeiten anzupassen, haben die beiden Apotheker aus dem Wangerland eine klare Meinung. „Die Arbeit wird doch nicht weniger, nur weil wir seltener geöffnet haben“, sagt Schinke. „Die Arbeit bleibt dieselbe.“ Darüber hinaus gebe es eine gute Möglichkeit, einen Blick in die Glaskugel zu werfen. „In Dänemark haben sie es auch versucht, die Fläche zu stärken. Das war aber nichts, am Ende sind die ganzen Apotheken in die Städte“, sagt Ueberschaar.
Finanzielle Probleme
Der Grund für die Reform ist die schwierige finanzielle Lage vieler Apotheken. Die Apotheken werden mit einem festgesetzten Honorar bezahlt, das momentan bei 8,35 Euro pro verkauftem rezeptpflichtigem Medikament liegt. Davon gehen aber nochmal zwei Euro Zwangsrabatt ab, am Ende bleiben etwa sechs Euro übrig. Dazu kommen noch drei Prozent des Medikamenten-Einkaufspreises, die die Apotheken am Verkauf derselbigen verdienen.
„Deshalb sind gerade hochpreisige Arzneimittel ein Apothekenkiller“, sagt Schinke. Viele kleinpreisige Medikamente würden da mehr helfen, da der Verlust an einem Hochpreiser signifikant höher sei. „Wenn wir ein Medikament für, sagen wir 5000 Euro, einkaufen, können Sie sich ja ausrechnen, was am Ende für uns übrig bleibt“, sagt Ueberschaar. Der Vorschlag von Lauterbach: Die angesprochenen drei Prozent auf zwei Prozent senken, aber dafür das festgesetzte Honorar auf neun Euro anheben. „Ich weiß nicht, wie er sich das vorstellt, aber helfen wird das nicht“, sagt Ueberschaar.
Hände gebunden
„Da hat die ABDA die letzten 20 Jahre einfach geschlafen“, kritisiert Schinke die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Durch die veränderte Preisgestaltung sei man jetzt in der schwierigen Lage. „Einkaufspreise sind gestiegen, aber das Honorar und die Zwangsrabatte wurden nicht angefasst und wenn, dann zu unserem Nachteil.“ 2022 wurde der Kassenabschlag von 1,77 Euro auf zwei Euro angehoben.
Brisant: Die Gesundheitsminister der einzelnen Bundesländer lehnen die Pläne von Lauterbach vehement ab. Dazu kommt, dass auch die PTA keine Fans von der Reform sind. Sie seien kein billiger Ersatz, so der Tenor. Und trotzdem läuft wohl alles darauf hinaus, dass das Bundeskabinett am 21. August für die Reform stimmen wird. „Ehrlich gesagt fühlt man sich ziemlich hilflos, wir sind quasi machtlos“, sagt Schinke. „Wir wissen, dass das nicht gut gehen kann und können nichts dagegen tun.“