Oldenburg/Wildeshausen - Nach der Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Betrugs vor dem Landgericht Oldenburg droht einem Anwalt aus Wildeshausen ein weiteres Verfahren. Die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Oldenburg weist auf ein anwaltsgerichtliches Ermittlungsverfahren gegen den 46-Jährigen hin. Dies sei der vorgesehene Schritt nach der strafrechtlichen Verurteilung eines Mitglieds, sagte Geschäftsführerin Sabine Kantin. Nach den Statuten werde nach Rechtskraft eines Strafurteils geprüft, ob ein sogenannter berufsrechtlicher Überhang bestehe, teilte Kammerpräsident Jan Kramer auf Nachfrage mit. Dieser werde Gegenstand eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens. Bislang ist das Urteil allerdings noch nicht rechtskräftig. Welche Sanktionen bei einer Verurteilung durch das Anwaltsgericht verhängt werden, regele die Bundesrechtsanwaltsordnung, sagte Sabine Kantin. Sie reichen von einer Verwarnung über eine Geldstrafe bis zum teilweisen oder vollständigen Ausschluss aus der Kammer.
Urteil gesprochen
Nach dem mehrmonatigem Strafverfahren hatte das Landgericht Oldenburg den Anwalt aus Wildeshausen am Mittwoch zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Zudem wurde der Einzug von rund 403.000 Euro angeordnet. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Jurist wiederholt Mandanten und Rechtsschutzversicherungen absichtlich getäuscht und betrogen hat. Das Geld, das der Angeklagte zurückzahlen soll, stammt aus einer Erbschaft. Der Mann war als Testamentsvollstrecker eingesetzt, hatte aber grob gegen seine Pflichten verstoßen, wie das Landgericht bei einem weiteren Verfahren zuvor bereits festgestellt hatte. Die Vorsitzende Richterin hatte bei der Urteilsverkündung am Mittwoch angedeutet, Sanktionen von der Rechtsanwaltskammer seien zu erwarten.
Kollegen fordern Berufsverbot
Derweil regt sich Unmut unter Berufskollegen des Verurteilten, die auf schweren Schaden für ihren Berufsstand hinweisen. Sie hatten erwartet, dass der Angeklagte – wie von der Staatsanwaltschaft gefordert – vom Gericht auch mit einem Berufsverbot belegt wird. So wundert sich der Wildeshauser Rechtsanwalt Sören Böhrnsen, dass sein Kollege nicht aus der Rechtsanwaltskammer ausgeschlossen wird. Es sei unverständlich, dass die Kammer dem Juristen nicht die anwaltliche Tätigkeit untersage, um damit weiteren Schaden von Mandanten abzuwenden, sagte Böhrnsen unserer Redaktion.
Anwalt vertritt Geschädigten
Der Fachanwalt für Strafrecht aus der Rechtsanwaltskanzlei Musch und Delank in Wildeshausen hatte den Anwalt wegen Betrugs angezeigt. Hintergrund ist ein Immobiliengeschäft, bei dem der angeklagte Anwalt ohne Wissen des Mandanten rund 20.000 Euro bei dessen Rechtsschutzversicherung eingenommen hatte. Die angebliche Klage vor dem Landgericht Oldenburg auf Abschluss eines Kaufvertrages war weder mit dem Mandanten abgesprochen noch notwendig, weil der Vertrag schon abgeschlossen war, noch wurde sie je eingereicht. Der Vorgang war einer der Fälle, die im Strafverfahren zur Verurteilung geführt hatten.
Weitere Strafanzeigen
Unterdessen wurde bekannt, dass mehrere weitere Anzeigen von Mandanten gegen den verurteilten Anwalt eingegangen sind. Durch die Berichterstattung über den Strafprozess waren sie aufmerksam geworden und hatten recherchiert, dass es sich um ihren Anwalt handelt. Sie sehen sich zum Teil ebenfalls betrogen.