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nordwest-zeitung

Notrufe und Reaktionszeiten Oldenburger Rettungsdienst – Schnelle Hilfe ist oft nicht schnell genug

Ein Rettungswagen des Oldenburger Rettungsdienstes auf dem Weg zum Einsatz.

Ein Rettungswagen des Oldenburger Rettungsdienstes auf dem Weg zum Einsatz.

Sascha Stüber

Oldenburg - 132 Mal ist der Oldenburger Rettungsdienst im vergangenen Jahr zu Kreislaufstillständen alarmiert worden. Doch längst nicht alle Menschen wurden gerettet. Nur 27 Patienten konnten erfolgreich reanimiert und mit Kreislauf in eine Klinik gebracht werden. Oft kamen auch die professionellen Retter zu spät. Gerade bei Herz-Kreislauf-Versagen spielt Zeit die entscheidende Rolle. Doch wie schnell ist schnell genug eigentlich?

Grundsätzlich gilt: So schnell wie möglich. Bereits nach drei Minuten sterben bei einem Herzstillstand durch Sauerstoffmangel erste Gehirnzellen unwiderruflich ab, ab vier Minuten beginnen Organe zu versagen und nach zehn Minuten tritt der Hirntod ein.

Grenzen des Machbaren

Eine sofortige Hilfe kann selbst der schnellste Rettungsdienst nicht in jeder Situation leisten. Und dass der Oldenburger Rettungsdienst schnell und gut aufgestellt ist, bescheinigt ihm auch eine bundesweite Untersuchung des Südwestrundfunks (SWR). Er punktet mit einer Ersthelfer-App, einem Qualitätsmanagement, einer standardisierten Notrufabfrage und guten Einsatzzeiten.

Dennoch gibt es auch in Oldenburg Verbesserungspotenzial. „Wir wollen uns immer verbessern“, betont Jens Spekker, Leiter der Berufsfeuerwehr Oldenburg, über die der Rettungsdienst organisiert ist. Doch eine weitere Verdichtung durch noch mehr Rettungswagen sei nicht darstellbar. Letztlich ist das nicht nur eine Frage finanzieller Ressourcen, sondern vor allem auch eine des Personals.

Reanimation einer Übungspuppe: Bei einem Herzstillstand kommt es auf jede Minute an.

DATEN UND FAKTEN Notfallrettung in Oldenburg – Professionelle Helfer und engagierte Ersthelfer

Markus Minten
Oldenburg

Zeit entscheidet

Also ist auch die Bevölkerung gefragt. In Oldenburg gibt es 545 Ersthelfer, die über eine sogenannte First-Responder-App registriert sind und in lebensbedrohlichen Notfällen automatisch von der Großleitstelle informiert werden, wenn sie sich in der Nähe befinden. In 52 Prozent der Alarmierungen von Ersthelfern haben diese am Einsatzort auch Hilfe geleistet und damit das therapiefreie Intervall oft entscheidend verkürzt.

„Auch die abnehmende Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung ist dabei ein Problem“, so Spekker. Viele Bagatellfälle verstopfen noch immer das System der Notfallrettung (112), die für lebensbedrohliche Notfälle gedacht ist. Zwar hilft der Großleitstelle eine standardisierte Notrufabfrage, um das richtige Rettungsmittel loszuschicken. Dennoch müssen hochqualifizierte Besatzungen und Rettungswagen zu häufig Aufgaben übernehmen, die eigentlich etwas für den hausärztlichen Notdienst (116117) wären – und stehen dann bei echten Notfällen eventuell nicht zur Verfügung. Das Thema regelmäßige Erste-Hilfe-Kurse könnte hier helfen, meint der Feuerwehrchef und blickt dabei vor allem in Richtung Straßenverkehr: „Warum Autofahrer aufgrund der besonderen Verantwortung durch das Führen eines Fahrzeuges nicht regelmäßig schulen?“ Weiteres Potenzial für die Verbesserung in der Ersten Hilfe wird in der verstärkten Durchführung von Lehrgängen in den Schulen gesehen.

Doch auch der Rettungsdienst in der Stadt selbst will trotz guter Zahlen sich weiter verbessern: „100 Prozent sind immer unser Ziel“, betont Spekker. Umsetzbar sein dürfte das allerdings kaum: Stau auf der Autobahn, geschlossene Bahnschranken oder auch mal ein Defekt am Einsatzfahrzeug – viele Aspekte lassen den Zielwert zwar in unerreichbare Ferne rücken, jede weitere Annäherung wäre aber ein Erfolg. Neben der Gewinnung von Ersthelfern und Aufklärung von Laien wird daher unter anderem an einer Ausweitung der Telefon-Reanimationen gearbeitet.

Pfund Großleitstelle

Ein großer Gewinn sei die Großleitstelle Oldenburger Land, die auch eine Versorgung über kommunale Grenzen hinaus ermöglicht. Und auch die arbeite an stetigen Verbesserungen, sagt Frank Leenderts, Leiter der GOL. So werde etwa übergreifend versucht, die Hersteller der unterschiedlichen Ersthelfer-Apps zu einer Verknüpfung dieser zu bewegen. Dann wären Ersthelfer auch andernorts potenzielle Lebensretter. „Es geht um nichts weniger als lebensbedrohliche Indikationen. Da sollte eine technische Vernetzung das Mindeste sein.“

Nicht nur Spekker und Leenderts blicken daher auf den Gesetzgeber: Eine Reform der Notfallversorgung, durch die wirklich alle Akteure zusammengefasst werden, sei dringend notwendig. Nur dann könnten die Patienten von Anfang an in das richtige System – Notfallversorgung, Notfallambulanz oder niedergelassene Ärzte/hausärztlicher Notdienst – geleitet werden.

Markus Minten
Markus Minten Stadt Oldenburg und Ammerland (Leitung)