Varel/Jever/Friesland - In Pflegeheimen im Landkreis Friesland ist es offenbar im vergangenen Jahr zu Körperverletzungen und Medikamentenmissbrauch, aber auch freiheitsentziehenden Maßnahmen und weiteren Vergehen gegen die betagten Bewohner gekommen. Wie die Heimaufsicht in einer Stellungnahme zur nächsten Sitzung des Kreis-Gesundheitsausschusses mitteilt, wurden im vergangenen Jahr etliche weitere Vorfälle aufgedeckt. Darunter fällt, dass ärztliche Verordnungen nicht umgesetzt wurden, es einen Mangel bei Schmerzmanagement und Wundversorgung gab, aber auch die Ernährungs- und Flüssigkeitszufuhr in manchen Heimen nicht funktionierte, sprich die Senioren Hunger und Durst leiden mussten.
Die Kontrollen erfolgten tagsüber, aber auch nachts. Teils wurde ohne Anlass kontrolliert, teils nachdem Hinweise eingegangen waren. In welchen Heimen Missstände aufgedeckt wurden, ist unklar. Sicher ist nur, dass in allen Heimen Kontrollen stattfanden.
Anzeigen und Arbeitsverbote
Alle strafrechtlich relevanten Fälle wurden und werden auch weiterhin an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, teilte die Pressestelle des Landkreises auf Nachfrage mit. Gleichzeitig kann die Heimaufsicht, wenn die Heimträger bei strafrechtlich relevanten Fällen nicht sofort arbeitsrechtlich gegen die Mitarbeiter vorgehen, ihrerseits ein Beschäftigungsverbot aussprechen.
Bei Fällen, die keiner weiteren Ermittlung der Staatsanwaltschaft bedürfen, folgen Anordnungen an die Betreiber gefolgt von engmaschigen Kontrollen. Wer sich nicht an die Auflagen hält, muss im Ernstfall den Betrieb einstellen.
Etliche Gründe
Doch warum geschieht all so etwas in Friesländer Heimen? In ihrem Statement zur politischen Sitzung versucht sich die Heimaufsicht an einer Erklärung: „Die zum Teil erheblichen Mängelfeststellungen resultieren aus unterschiedlichen Faktoren. Der Hauptgrund liegt in der Personalsituation der Einrichtungen. Der Fachkräfte- und Pflegeassistentenmangel führt zur personellen Unterbesetzung in der Versorgung der Pflegebedürftigen und zur Überlastung der Pflegemitarbeiter.“ Dies habe zur Folge, dass kaum verlässliche Dienstplanungen im Voraus möglich seien, in Freischichten kurzfristig eingesprungen werden und Leitungskräfte die direkte Pflege am Bewohner übernehmen müssten. „Letzteres führt wiederum dazu, dass die Kontroll- und Qualitätssicherungsaufgaben nicht wahrgenommen werden können.“
Angespannte Situation
Und noch einen Punkt führt die Heimaufsicht an: „Einspringende Leasingkräfte und Freiberufler bekommen für die gleiche Pflegetätigkeit eine höhere Entlohnung. Sie stehen weniger in der persönlichen Verantwortung für Pflege- und Dokumentationsqualität durch den kurzfristigen Wechsel des Einsatzortes. Dieses wird von festangestellten Pflegekräften als ungerecht empfunden. Ferner führen überlastete Pflege und daraus hervorgehende Versäumnisse in der Versorgung zu einer angespannten Situation zwischen Pflegepersonal, Bewohnern und An- und Zugehörigen.“
Unterbesetzung an den Wochenenden
Vermehrt habe die Heimaufsicht zudem feststellen müssen, dass insbesondere an den Wochenenden nur noch eine Pflegefachkraft plus Helfer pro Schicht anwesend seien, die dann in der gesamten Pflegeeinrichtung die behandlungspflegerischen Maßnahmen, wie zum Beispiel Wundversorgungen und Medikamentenmanagement übernehmen mussten. Pflegedefizite, die in den vergangenen Jahren kaum noch Thema gewesen seien, darunter fielen beispielsweise auch die Ernährungs- und Flüssigkeitszufuhr, seien wieder vermehrt aufgetreten. Der häufige Personalwechsel im Bereich der Heim- und Pflegedienstleitungen führe zusätzlich zu Unsicherheiten und Defiziten bei den Arbeitsabläufen. Auch das Pflegepersonal wechsele häufig; konstante Teambildung sei kaum noch möglich.
Folgen des Personalmangels
Gleichzeitig führt die Heimaufsicht in ihrer Stellungnahme auch die Folgen des Personalmangels für die Betreiber auf: Denn der führe zu Bettenleerständen, die wiederum zu wirtschaftlichen Problemen führten. „Kombiniert mit den Anpassungen der Tariflöhne führt dies zu Insolvenzen von Heimen, wie sie im gesamten Nordwesten, auch in Friesland, in letzter Zeit eingetreten sind.“ Und das bei steigendem Anteil der Bewohner mit herausforderndem Verhalten. „Hier ist der ansteigende Anteil an gerontopsychiatrischer Pflege zu nennen, der für eine individuelle fachliche Betreuung mittlerweile eine Eins-zu-Eins-Betreuung erforderlich macht. Ohne Facheinrichtungen mit entsprechend ausreichendem und gerontopsychiatrisch ausgebildetem Pflegepersonal kann die Überforderung der somatischen Pflege nicht verbessert werden.“