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nordwest-zeitung

Düstere Prognose 30 Hausärzte der Wesermarsch schließen in den nächsten zehn Jahren

Wie geht es mit der Hausarzt-Versorgung in der Wesermarsch weiter?

Wie geht es mit der Hausarzt-Versorgung in der Wesermarsch weiter?

Moritz Frankenberg/dpa-Symbolbild

Wesermarsch - Der Kampf um Ärzte hat begonnen. Vor allem die ländlich gelegenen Orte buhlen um den Mediziner-Nachwuchs. Kein Wunder: Es gibt immer weniger davon. Einer Prognose der Kassenärztlichen Vereinigung nach, basierend auf einer Studie der Leibniz-Universität, wird die Zahl der Hausärzte in Niedersachsen im Jahr 2035 von heute 5044 auf 3750 sinken.

Was bedeutet das für die Wesermarsch ?

„Wir gehen davon aus, dass rund 30 Hausärzte in den kommenden zehn Jahren die Praxis aufgeben“, erläuterte Detlev Haffke, Leiter der Stabsabteilung Kommunikation und Information bei der KV Niedersachsen, auf Nachfrage der Redaktion. Dramatischer sieht es übrigens im Kreis Friesland aus: Hier wird erwartet, dass rund 48 Hausärzte in den kommenden zehn Jahren die Praxis aufgeben.

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Wie ist die aktuelle Situation ?

Der Landkreis Wesermarsch ist nach der gesetzlich vorgegeben Bedarfsplanung in sogenannten Mittelbereiche eingeteilt: Da gibt es zum einen den Bezirk, der Brake, Elsfleth, Ovelgönne, Stadland , Berne und Lemwerder umfasst. Hier leben 43.714 Einwohner, ein Hausarzt soll – theoretisch zumindest – 1.585 Menschen versorgen. 30,25 Hausarzt-Stellen sind besetzt, eine halbe Stelle wäre noch zu haben. Zum anderen gibt es dann den Bezirk mit Nordenham und Budjadingen. Hier leben 39.957 Einwohner, ein Hausarzt soll laut KVN 1.579 Menschen versorgen. 26 Hausärzte sind niedergelassen, zweieinhalb weitere Stellen sind noch frei – hier könnten sich sofort Hausärzte niederlassen.

Das fordert die KVN

Aus Sicht der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) werden zu wenig Ärzte ausgebildet. „Die KVN drängt schon seit langem darauf, die seit Jahrzehnten immer weiter zusammengekürzten Kapazitäten der medizinischen Fakultäten zur Sicherstellung des medizinischen Nachwuchses aufzustocken. Hier wurde leider zu viel Zeit verschwendet und eine Gelegenheit vertan, dem drohenden und teils bereits realen Ärztemangel zu begegnen und die ambulante Versorgung mittel- und vor allem langfristig zu stärken“, erläuterte Detlev Haffke, Pressesprecher der KV Niedersachsen. 

Selbst wenn ab sofort alle mehr oder minder konkret angekündigten Maßnahmen – mehr Studienplätze und eine Landarztquote – vollständig umgesetzt würden, werde dies bis 2035 keine nennenswerten positiven Effekte auf die Versorgung haben. Erst nach 2035 wäre langsam mit spürbaren Effekten zu rechnen.

Und noch eine Forderung hat die KVN: Den Ausbau des Bedarfsverkehrs in ländlichen Regionen und den Ausbau der Internetstrukturen. „Der Weg zur Arztpraxis für die Bürger muss einfacher werden und neue Formen der digitalen Kommunikation mit der Arztpraxis müssen störungsfrei und stabil aufgebaut werden. Dazu sind gute Breitband-Internetverbindungen notwendig“, so Haffke.

Und was ist mit Jade ?

Jade gehört gemeinsam mit Varel, Zetel und Bockhorn zur sogenannten Mischregion Wesermarsch/Friesland. Hier leben 51.562 Einwohner, ein Hausarzt soll – wieder theoretisch – 1.534 Menschen versorgen. 37,25 Hausärzte sind niedergelassen, weitere sind aktuell nicht gestattet.

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Wie sieht es bei den Fachärzten aus ?

Auch hier gibt es in der Wesermarsch Vakanzen: So ist noch eine halbe Frauenarzt-Stelle frei, ebenso jeweils eineinhalb Stellen für Kinder- und Jugendärzte sowie Nervenärzte. Darüber hinaus dürften sich noch ein Hautarzt und ein ärztlicher Psychotherapeut niederlassen. Hinzu kommen dann noch mit Blick auf die Versorgung die freien Stellen in den Krankenhäusern, die aber gesondert betrachtet werden. So sucht das Krankenhaus in Brake unter anderem einen Chefarzt für die Innere Medizin und Kardiologie, vier weitere Oberärzte, einen Facharzt, zwei Assistenzärzte und einen Leitenden Oberarzt. In Nordenham wird ein Chefarzt für die Innere Medizin/Gastroentorologie sowie ein weiterer Oberarzt und ein Facharzt gesucht.

Wie steht es um die Altersstruktur bei den Hausärzten in der Region ?

Zwölf Hausärzte sind älter als 60 Jahre, 18 sind älter als 68 Jahre. Alle weiteren Hausärzte in der Wesermarsch sind jünger als 55. Und wie ist die Situation in Friesland? Nun ja, von den 132 Hausärzten sind 84 Jünger als 55 Jahre, 25 über 60 Jahre und 23 über 68 Jahre.

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Wie können Kommunen Ärzte gewinnen ?

„Bei der Besetzung von Arztsitzen heißt das Zauberwort Work-Life-Balance“, so Haffke. Hier könnten die Kommunen tätig werden. So gelte es, einige strategische Fragen zu beantworten, die für Mediziner wichtig sind: Findet der Partner der Ärztin/des Arztes einen adäquaten Arbeitsplatz? Wie sieht das Angebot von Kindergärten und Schulen aus (Schul- und Betreuungsangebot)? Wie häufig hat die Ärztin/der Arzt Bereitschaftsdienst am Abend oder am Wochenende? Wie ist der ÖPNV ausgebaut? Gibt es ein gutes Angebot an Freizeitaktivitäten (Kino, Theater, Sport)? Und kann ich mit anderen Ärzten in der Region gut kooperieren?

Wie wichtig eine Work-Life-Balance ist, spürt die KV schon heute: „Wir brauchen schon heute zwei Ärztinnen beziehungsweise Ärzte, um einen ausscheidenden Arztsitz zu besetzen“, so Haffke. „Gerade junge Ärztinnen sind nicht mehr bereit, 50 oder 60 Stunden in der Woche zu arbeiten.“

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