Oldenburg/Bonn - Einen fairen Wettbewerb am Glasfasermarkt und einen womöglich schnelleren Ausbau von Glasfaserleitungen im Nordwesten: Das erhofft sich zumindest die Bundesnetzagentur in Bonn von ihrer Entscheidung. In vier Regulierungsverfügungen hat die Bundesbehörde jetzt u.a. die Glasfaser Nordwest GmbH (Oldenburg) dazu verpflichtet, anderen Netzbetreibern „verfügbare Kapazitäten in ihren Leerrohren“ zugänglich machen zu müssen. Kritiker, darunter auch Glasfaser Nordwest selbst und das Oldenburger Telekommunikationsunternehmen EWE, befürchten allerdings, dass es durch diese Entscheidung nicht zu mehr, sondern zu weniger Glasfaserausbau in der Region kommen könnte.
Die Glasfaser Nordwest
Die Glasfaser Nordwest ist ein Gemeinschaftsunternehmen von EWE und Deutscher Telekom. Das Anfang 2020 gegründete Joint Venture hat sich nach eigenen Angaben zum Ziel gesetzt, bis 2027 mindestens 1,5 Millionen Haushalte und Unternehmensstandorte im nordwestlichen Niedersachsen, in Bremen und im nördlichen Nordrhein-Westfalen mit einer schnellen Glasfaserverbindung zu erschließen. Als reines Infrastrukturunternehmen konzentriert sich Glasfaser Nordwest dabei allein auf den Ausbau des Netzes, bietet also selbst keine Verträge für Endkunden an. Stattdessen lässt sie Telekommunikationsanbieter, sowohl EWE und Telekom aber auch andere zu jeweils gleichen Konditionen auf ihr Netz, wo sich die Anbieter dann Kontingente, also Anschlüsse, kaufen können.
Die Entscheidung
Durch die Entscheidung der Bundesnetzagentur wird dieser Zugang von dritten Unternehmen auf die Infrastruktur von Glasfaser Nordwest nun auf die verfügbare Leerrohre ausgeweitet. Eine vergleichbare Regelung gibt es bereits seit einiger Zeit für die Glasfaserinfrastruktur der Telekom selbst. Nun wird sie auch auf deren Joint Ventures, neben Glasfaser Nordwest auch die Glasfaser Plus GmbH, ausgeweitet. „Mit der Entscheidung komplettieren wir den Regulierungsrahmen im Glasfaserbereich und schaffen einheitliche und transparente Zugangsbedingungen für die Wettbewerber“, sagte Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur.
Einsicht in freie Ressourcen soll wie bei der Telekom über das „Gigabitgrundbuch“ aus dem Infrastrukturatlas genommen werden. Dazu komme eine „strenge“ Verpflichtung, die Interessenten für einen Zugang nicht zu diskriminieren, betont die Behörde. Zusätzliche Überwachungs- und Transparenzauflagen sicherten diese ab.
Die Befürworter
Der VATM (Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten), in dem sich vor allem viele Telekom-Wettbewerber zusammengeschlossen haben, sprach von einer „richtigen“ und „ungemein wichtigen“ Entscheidung der Netzagentur. „Besser spät als nie“, meinte VATM-Geschäftsführer Frederic Ufer. „Zwei Jahre hat sich die Regulierungsbehörde Zeit gelassen und den Markt auf ein starkes Signal pro Wettbewerb warten lassen.“ Nötig sei ferner aber eine umfassendere Regulierung, die „anderen Netzbetreibern einen Wettstreit mit der Telekom auf Augenhöhe erlaubt“. So fordere der VATM schon seit Jahren eine bessere „Nutzbarmachung freier Leerrohrkapazitäten“.
Die Kritiker
Kritik kommt dagegen u.a. von Glasfaser Nordwest und EWE. „Der Zugang von dritten Unternehmen zu den verfügbaren Leerrohren der Glasfaser Nordwest entwertet und gefährdet die Investitionen in den Glasfaserausbau“, warnte eine Sprecherin von Glasfaser Nordwest. Ähnlich äußerte sich ein EWE-Sprecher: „Ein solcher Leerrohrzugang gefährdet die Investitionen in Glasfaser, weil dadurch wichtige Teile der Wertschöpfung an nicht-investierende Unternehmen abgegeben werden müssen, ohne dass die Aussicht auf eine faire Beteiligung an dem Investitionsrisiko besteht.“ Mit dieser Entscheidung werde ausgerechnet das Unternehmen „benachteiligt“, das rund zwei Milliarden Euro in die Glasfaserinfrastruktur im Nordwesten investiere.
Die Kritiker befürchten, dass die Entscheidung der Netzagentur auch zu einer Ausweitung des umstrittenen Überbaus, also des Parallel-Ausbaus von Glasfaserleitungen, führen könnte. Denn der kostspieligste und riskanteste Teil beim Glasfaserausbau sind die Tiefbauarbeiten, nicht das Verlegen des Glasfaserkabels. Sprich, wenn dritte Unternehmen nun die Leerrohre von Glasfaser Nordwest angezeigt bekommen und nutzen können, sparen sie sich die teure Buddelei, können aber die attraktivsten Trassen fast ohne Kosten und Risiko selbst nutzen.