Hannover - In der Kindheit von Yvonne Pedd, in den 80er und 90er Jahren, gab es nur Müllmänner. Selbst vor fünf Jahren stand zumindest in Hannover noch keine einzige Frau auf dem Trittbrett eines Müllfahrzeugs. „Ich bin schon stolz, jetzt eine der ersten Müllwerkerinnen zu sein. Es macht wahnsinnig Spaß“, sagt die 46-Jährige und strahlt.
Nach Jobs im Einzelhandel und in der Gebäudereinigung hat sie vor zweieinhalb Jahren sich ein Herz gefasst und bei aha, dem Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover, beworben. Mittlerweile hat sie einen unbefristeten Vertrag, wird nach Tarif bezahlt und fährt fest auf der Tour von Karsten Bürst.
Vorteile am Job bei der Müllabfuhr
Der Fahrer ist voll des Lobes für Yvonne: „Sie hat vom Tag eins an begriffen, um was es geht und befasst sich intensiv mit der Sache. Und sie ist eine Frohnatur!“ Streitereien möge sie überhaupt nicht, sagt die Müllwerkerin. „Wenn Karsten schlechte Laune hat, versuche ich ihn mit Sprüchen und Sticheleien aufzuheitern. Wir sind echt ein tolles Team geworden, ganz harmonisch.“
Täglich acht Stunden sind die Dreier-Teams zusammen auf Tour. Weil der feste dritte Kollege im Urlaub ist, ist an diesem Tag in Langenhagen Marcus Oehlmann als Springer dabei. Yvonne Pedd ist wie immer um 4.15 Uhr aufgestanden und hat sich um 5.45 Uhr in der Betriebsstätte in Laatzen ihre leuchtend-orangefarbene Arbeitskleidung angezogen. „Du siehst aus wie eine Orange“, hat ihre Tochter anfangs gesagt. Der große Vorteil am Job bei der Müllabfuhr sei, dass sie den Nachmittag mit ihrer 13-jährigen Tochter verbringen könne, sagt Yvonne Pedd. Frühaufsteherin sei sie sowieso.
Zum Sport muss Yvonne Pedd abends nicht mehr gehen, um fit zu bleiben. Rund 10 000 Schritte legt sie jeden Tag zurück. 180 Behälter leeren Yvonne und ihr Kollege auf einer Tour - sie sind mit einem neuen Abfallsammelfahrzeug unterwegs: ein 26-Tonner, in den noch 11 Tonnen Restmüll geladen werden können. Als das neue Fahrzeug angeschafft wurde, haben sich Karsten und Yvonne einheitliche Schilder mit ihren Vornamen fürs Führerhaus besorgt.

Yvonne Pedd, Müllwerkerin beim aha Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover, zieht mit ihrem Kollegen Marcus Oehlmann eine Restmülltonne.
Julian Stratenschulte
Schnell unterwegs als Trittbrettfahrerin.
Julian Stratenschulte
Die einheitlichen Namensschilder schmücken das Führerhaus des Müllwagens.
Julian Stratenschulte
Hat als Müllwerkerin alles im Blick: Yvonne Pedd in oranger Arbeitsmontur.
Julian StratenschulteLaut Abfallsatzung dürfen die Restmüllcontainer maximal 286 Kilogramm wiegen. In ihren ersten Wochen bei aha hatte die 46-Jährige Muskelkater und nahm auf Rat ihrer Kollegen hin Magnesium. „Das mit dem Muskelkater geht aber auch den Männern so“, sagt Kollege Marcus Oehlmann. Beim Ziehen und Kippen der Container und Tonnen sei die richtige Technik entscheidend. Zur Vorbeugung von Unfällen und Rückenproblemen gibt es vom Arbeitgeber regelmäßige Schulungen und Sportangebote.
Und was ist mit dem Dreck und Gestank? Mit dem Müll komme sie durch die Schutzkleidung und Handschuhe gar nicht in Berührung, sagt Yvonne Pedd, die gepflegte Hände hat. „Vier Zentimeter lange Fingernägel wären natürlich ungünstig.“ An den Geruch aus den Restmülltonnen an heißen Sommertagen gewöhne man sich. „Schließlich ist es draußen, und wir sind an der frischen Luft.“
Mit Castings und Werbekampagnen versuchen viele städtische Entsorgungsunternehmen, mehr Frauen zu gewinnen. In gemischten Teams verbessere sich das Arbeitsklima, der Umgangston verändere sich, sagt aha-Sprecherin Helene Herich. „Es gibt sogar Auswertungen dazu, dass die Unfallquote langfristig sinkt und die Arbeitssicherheit steigt.“ Oft seien Frauen vorsichtiger und gingen bei der Arbeit weniger Risiko ein.
Frauenanteil steigt in der Abfallwirtschaft
Ende 2019 stellte aha nach einem Speed-Dating für interessierte Frauen die ersten Müllwerkerinnen ein. Mittlerweile sind von den 820 Beschäftigten bei der Müllabfuhr 40 weiblich, davon vier Kraftfahrerinnen und 36 Abfallwerkerinnen wie Yvonne Pedd. Damit ist die Frauenquote etwas höher als in Hamburg. Dort arbeiten bei der Müllabfuhr 31 Frauen und 1012 Männer. Auch die Stadtreinigung Hamburg versucht nach eigenen Angaben, gezielt Frauen anzuwerben. Nächster Matchday, bei dem Interessierte mit Müllwerkerinnen ins Gespräch kommen können, ist der 31. August. „Wir wollen den Frauenanteil bei den Einsatzkräften der Müllabfuhr weiter erhöhen“, sagt auch der Sprecher der Berliner Stadtreinigung, Thomas Klöckner. 18,5 Prozent der Beschäftigten seien Frauen. Bei der Müllabfuhr seien unter den 1335 Beschäftigten allerdings nur 25 Frauen (Stand 30. April).
Yvonne Pedd glaubt, dass sich der Frauenanteil bei der Müllabfuhr weiter erhöhen wird. „Ich bekomme eigentlich nur positive Reaktionen“, erzählt sie.Besonders begeistert vom orangefarbenen Fahrzeug seien Kinder im Kinderwagen oder Kita-Kinder, da winke sie gern zurück. Für die Mädchen und Jungen, denen sie regelmäßig begegne, sei es selbstverständlich, dass es auch Müllfrauen gibt.