Südbrookmerland - Noch immer klingen Peter Ubben aus Südbrookmerland die Ohren. Der 57-Jährige stand am Mittwochnachmittag direkt neben zwei Polizeibeamten, als diese einen Hund erschossen. Das Tier, ein germanischer Bärenhund, hatte zuvor eine 66 Jahre alte Passantin angefallen und in Arm und Gesäß gebissen. Die Frau wurde daraufhin vom Rettungsdienst ins Krankenhaus gebracht. Doch aus Sicht Ubbens stellen sich die Fakten anders dar, als von der Polizei berichtet.
Tier wog rund 60 Kilogramm
Ubben selbst hatte an diesem Nachmittag die Betreuung für die beiden Hunde „Rosalie“ und „Leonie“ für seine berufstätige Nachbarin übernommen. „Ich habe noch zwei Stunden vorher auf dem Boden gelegen und mich von ihnen im Gesicht ablecken lassen.“ Mit Hunden kennt sich der Südbrookmerlander aus, jahrelang besaß er selbst Rottweiler, einen belgischen Schäferhund und einen Neufundländer, berichtet er. Ubben weiß aber auch, dass germanische Bärenhunde eine gewisse Bedrohung ausstrahlen können, immerhin habe das erschossene Tier rund 60 Kilogramm gewogen. Deshalb dürfen die Hunde seiner Nachbarin eigentlich auch nur im umzäunten Garten frei herumlaufen – auch wenn sie in der Gemeinde laut Satzung nicht als gefährliche Hunde eingestuft sind. Doch obwohl der Hundesitter zuvor das Tor kontrolliert hatte, habe dieses plötzlich offen gestanden, schildert Ubben die für ihn nicht nachvollziehbare Situation. Die Hunde seien daraufhin auf die Straße gelaufen. „Ich wollte noch Leckerlies aus dem Haus holen, um sie anzulocken, da schrie die Frau schon um Hilfe“, schilderte er die Situation vom Mittwoch. Was genau geschehen war, habe er nicht beobachtet.
Lies Hunde weiter toben
Als ein Mann und eine Schülerin der Verletzten zur Hilfe geeilt seien, hätten sich die Hunde aber abgewendet und auf einer Wiese herumgetollt, so die Beobachtungen des Hundesitters. „Ich habe sie dann erstmal toben lassen.“ In der Zwischenzeit seien ein Krankenwagen und zwei Streifenwagen der Polizei eingetroffen und zunächst in dem Haus verschwunden, in das zuvor auch die verletzte Passantin gebracht worden war. Erst eine Viertelstunde später seien die Beamten wieder herausgekommen und auf die Hunde zugelaufen, die nach wie vor frei herumliefen. „Ich habe den Polizisten zugerufen: ,Bleiben Sie stehen!’“ Doch die Beamten hätten nicht auf ihn gehört, woraufhin „Leonie“ zurück zum Haus gelaufen sei, „Rosalie“ hingegen habe sich aufgestellt, geknurrt und gebellt. Dann fielen mehrere Schüsse.
Alles richtig gemacht
Berechtigterweise, wie Polizeisprecherin Wiebke Baden von der Polizeiinspektion Aurich/Wittmund betonte. „Der Hund ist zähnefletschend und angriffslustig auf die Kollegen zugerannt“, sagte sie. Alle Einzelheiten des Vorfalls kenne sie zwar auch nicht, aber mit dem Wissen im Hinterkopf, dass der Hund zuvor eine Passantin angegriffen und verletzt hatte, sei anzunehmen gewesen, dass eine Gefahr für Leib und Leben besteht. „Da hätte man nicht anders handeln können“, so Baden. „Sicherheit geht vor“, findet auch Ubben, aber: „In diesem Fall hätte das nicht sein müssen.“ Mehr noch hätten die Polizisten in seinen Augen in „völlig sinnloser Manier“ gehandelt.
Strafverfahren eingeleitet
Doch auch, wenn die Geschehnisse offensichtlich unterschiedlich wahrgenommen wurden, ist jetzt ein Ermittlungsverfahren gegen die Halterin der beiden Hunde eingeleitet worden. Dabei geht es zunächst um den Verdacht der fahrlässigen Körperverletzung. Inwiefern sich daraus noch Konsequenzen hinsichtlich der Haltung der Tiere ergeben, dazu konnte Polizeisprecherin Baden aktuell keine Einschätzung abgeben.