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nordwest-zeitung

Kritik an Haus-Abriss und Stadtrat Einst ein Stück Oldenburger Geschichte – Jetzt nur noch ein Haufen Ziegel

Nur noch ein großer Haufen Ziegel: Das Haus an der Heiligengeiststraße 24  ist am Wochenende abgerissen worden.

Nur noch ein großer Haufen Ziegel: Das Haus an der Heiligengeiststraße 24 ist am Wochenende abgerissen worden.

Thomas Husmann

Oldenburg - Für die einen war es stadtbildprägendes Stück Oldenburger Geschichte, für die anderen ein Haus, das nicht mehr zu sanieren war und abgerissen werden konnte. Der Immobilienbesitzer hat nun vollendete Tatsachen geschaffen und den am Freitag begonnenen Abriss des 1837 errichteten Hauses Heiligengeiststraße 24 bereits am Samstag fortsetzen lassen. An seiner Stelle liegt nun ein Berg Ziegel, auf dem der Abrissbagger übers Wochenende hinweg abgestellt worden war.

Wie lief der Entscheidungsprozess damals ?

Unter Denkmalschutz stand das Haus nicht. Warum nicht? Diese Fragen stellen sich auch die ehemaligen Grünen-Ratsleute Kerstin Rhode-Fauerbach und Sebastian Beer. Sie waren in der vergangenen Ratsperiode intensiv am Entscheidungsprozess beteiligt, durch den letztendlich das geplante Neubaubauprojekt des Oldenburger Unternehmers Klaus Oetken für das benachbarte Grundstück, auf dem das Finanzamt Oldenburg gestanden hatte, scheiterte. Zu groß, ein falsches Nutzungskonzept ohne Wohnen (abgesehen von betreutem Wohnen) und ein Supermarkt von der Stange. Der Rat beschloss, den Bebauungsplan nicht weiterzuverfolgen. Oetken wickelte daraufhin den Kaufvertrag mit dem Land ab, seitdem liegt das Grundstück brach.

Was plante die Denkmalschutzbehörde ursprünglich ?

Doch zurück zum Haus Heiligengeiststraße 24, das in den ursprünglichen Planungen der Zufahrt bzw. dem Zugang auf das Gelände im Weg stand. Es sollte deshalb abgerissen werden. „Als seinerzeit die Stadtverwaltung das Begehren der Landesdenkmalpflege auf den Tisch bekam, das Haus unter Schutz zu stellen, hielt sie es nicht für nötig, die fachlich zuständigen Gremien des Rates zu informieren, geschweige denn zu konsultieren. Sie telefonierte lediglich die drei Ratsmitglieder ab, die ohne Stimmrecht in der Jury gesessen hatten“, schreiben Rhode-Fauerbach und Beer. Und weiter: „Das erfuhren wir erst, besser gesagt bekamen wir es vom damaligen Stadtbaurat unter die Nase gerieben, als wir den Vorgang im Stadtplanungsausschuss zur Rede gebracht hatten.“ Das wiederum offenbart erhebliche Defizite im Informationsaustausch bei den Grünen – ein Randaspekt.

Was sprach gegen die Unterschutzstellung ?

Der Landesdenkmalschutz hatte das Haus also ursprünglich schützen wollen. Dagegen sprach, dass die Treppenhäuser neu, Böden schief und neue Wände eingezogen worden waren sowie der ursprüngliche Grundriss nicht mehr vorhanden war. Die Fassade sowie die Böden und die Malereien an den Wänden waren durchaus schützenswert. Bei der Unteren Denkmalschutzbehörde, die in der Stadtverwaltung angesiedelt ist, gab es durchaus Stimmen, das Haus zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist das Haus dann auf Druck des Oberbürgermeisters dennoch nicht unter Schutz gestellt worden. Gegenüber unserer Redaktion widerspricht der OB. Er habe keinen Druck ausgeübt. Vielmehr habe er sich dem Stadtplanungsamt und dem damaligen Baudezernenten Sven Uhrhan angeschlossen. Die hatten in einem Schreiben an das Landesamt für Denkmalpflege gefordert, das Gebäude Heiligengeiststraße 24 nicht in die Denkmalliste des Landes Niedersachsen einzutragen. Das Landesamt ist dann diesem Wunsch gefolgt, obwohl es eine Woche zuvor dem Haus einen Denkmalstatus zugesprochen hatte.

„Dass weder die Stadtverwaltung noch der Rat in der Zwischenzeit aktiv geworden sind, um eine neuerliche, nämlich zustimmende Stellungnahme gegenüber dem Landesamt abzugeben, obwohl der damalige Rat mit Beschluss einer Veränderungssperre deutlich machte, dass er den Erhalt des Gebäudes wünscht, schlägt dem Fass den Boden aus“, schreiben Rohde-Fauerbach und Beer weiter. „Man wusste doch, dass diese maximal vier Jahre Bestand haben kann.“

Haben die heutigen Entscheidungsträger Lehren gezogen ?

Die beiden Ex-Ratsleute haben als ehemalige Mitglieder des Stadtplanungsausschusses bei mehreren baulichen Entwicklungen in der Stadt den Eindruck, dass die über viele Jahre gewonnenen Erkenntnisse und auch per Beschlusslage erarbeiteten Positionen bei den heutigen Entscheidungsträgerinnen und -trägern nicht bekannt sind oder willentlich ignoriert werden. Daher sollte sich niemand wundern, dass die Akzeptanz für und das Vertrauen in demokratische Prozesse in der Bevölkerung kontinuierlich abnimmt.

Dass die Stadt wenig Kampfgeist beim Schutz historischer Gebäude zeige, sei auch bei der ehemaligen Wagenremise an der Auguststraße und der Jahn-Halle beim Lindenhofsgarten zu sehen. Beer und Rohde-Fauerbach: „Mit dem nun zum traurigen Abschluss gekommenen Vorgang um die Heiligengeiststraße 24 bekleckern sich abermals weder Stadtverwaltung noch Rat mit Ruhm.“

Was geschieht mit dem Finanzamt ?

Das Finanzamt Oldenburg bleibt bis 2076 in den angeschafften Fertigbaumodulen am Stubbenweg. Das Land hat sich das Erbbaurecht zur Nutzung des rund 10.000 Quadratmeter großen Grundstücks gesichert. Der Erbbauzins beträgt 19.000 Euro pro Monat, das sind 12,54 Millionen Euro in den 55 Jahren. Der Vertrag wurde zwischen dem Land Niedersachsen und der „Johannes Oetken & Söhne GmbH“ geschlossen.

Thomas Husmann
Thomas Husmann Redaktion Oldenburg
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