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nordwest-zeitung

Blaudruckerei in Jever 27-jährige Sabrina Schuhmacher trägt in Jever altes Handwerk in die Zukunft

Jevers Blaudruckerin Sabrina Schuhmacher mit einem 350 Jahre alten Druckstock, dessen Muster deutlich orientalische Wurzeln hat.
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Jevers Blaudruckerin Sabrina Schuhmacher mit einem 350 Jahre alten Druckstock, dessen Muster deutlich orientalische Wurzeln hat.

Christoph Hinz

Jever - Von den teils unverputzten Wänden hängen Stoffe in Indigoblau wie Fahnen, das Blau durchbrochen von weißen Motiven und Mustern in feinster Linienführung. Biblische Heilige, opulente Blumendekors und exotische Ornamente zieren die Textilien. In Regalen und auf Tischchen liegen die mal gefalteten, mal ausgebreiteten Produkte von Tischdecken über Läufer und Kissenbezüge, Schals und Halstücher, bis hin zu Schürzen, Blusen, Kleidern und Jacken.

Einige Muster dürfen als traditionell für die norddeutsche Küstenregion gelten. Sabrina Schuhmacher, die eben noch einen imposanten hölzernen Druckstock sachte in eine Stoffbahn auf einem großen Tisch gedrückt hat, erklärt: „Wir haben viele ältere Kunden, die diese traditionellen Muster besonders schätzen.“ Aber der Blick müsse auch in die Zukunft gehen, sagt die junge Frau in blauer Arbeitsschürze. Sie versuche deshalb, zunehmend jüngere Menschen dafür zu interessieren, „dass mit Blaudruck auch Mode und aktuelle Kleidung möglich ist“. Sabrina Schuhmacher ist Inhaberin der Blaudruckerei in Jever und eine begnadete Erzählerin, wenn es gilt, einzelne Arbeitsschritte zu kommentieren.

<p>                Stoffrollen, Lavendelsäckchen, Druckmodeln und der Stock mit Gewicht, der kein Hammer ist.             </p>

Stoffrollen, Lavendelsäckchen, Druckmodeln und der Stock mit Gewicht, der kein Hammer ist.

Das Licht, das durch einfach verglaste Sprossenfenster fällt, scheint in diesem Raum Jahrhunderte alt zu sein – wie das Handwerk, das in der kleinen jeverschen Manufaktur praktiziert wird. Auch wenn auf den ersten Blick alles museal wirkt, da übt eine Blaudruckerin ihren Beruf im Hier und Jetzt aus. Sabrina Schuhmacher ist seit gut drei Jahren die Chefin dieser Werkstatt, und mit ihren 27 Jahren ist sie der lebendige Gegenentwurf zu dem denkmalgeschützten Gebäude aus dem 19. Jahrhundert im Kattrepel 3. Umgeben ist sie von Historie pur: von uraltem Handwerkswissen sowie von fast 400 Jahre alten Druckstöcken, den Modeln.

Einstieg während der Pandemie

Als 24-Jährige hat sie die Manufaktur von Blaudrucker Georg Stark übernommen, der sie aufgebaut und 35 Jahre lang geführt hat. Ein Sprung ins kalte Wasser für Schuhmacher, die heute aber bekennt: „Ich habe es noch keinen Moment lang bereut.“ Erstaunlicherweise auch nicht, dass sie Starks Nachfolge im Februar 2021, also zu Beginn des zweiten Corona-Jahres mit vielen Beschränkungen für den Handel übernommen hat.

„Natürlich habe ich mich gefragt, wie lange es gut geht, dass Kunden nur auf Anmeldung in den Laden kommen und kaum Touristen in der Stadt sind.“ Aber die Pandemie habe ihr auch Zeit gegeben, frisch erworbenes Wissen zu vertiefen und sich handwerklich auszuprobieren. „Und im Sommer waren dann die Touristen alle wieder da, es wurde eine starke Saison, die die Monate davor ausgeglichen hat.“ Mittlerweile kehre sich das aber um, „die Menschen machen wieder mehr im Ausland Urlaub“.

Handwerkerin aus Leidenschaft

Sabrina Schuhmacher hat im Jahr 2020 erstmals die Blaudruckerei von Georg Stark im Kattrepel betreten, als dieser nach 35 Jahren der Forschung und der Handwerkspraxis seine Nachfolge für die kleine Manufaktur regeln wollte. Da hatte die junge Frau aus Bassum bereits den Beruf der Schneiderin erlernt und einen Universitätsabschluss in Modedesign in der Tasche. Für sie war schnell klar, dass sie es wagen und den Betrieb übernehmen wollte.

Mehrere Monate lang lernte Schuhmacher bei Georg Stark alles Wissenswerte und natürlich die Praxis des Blaudrucks, bevor sie das Geschäft im Februar 2021 unter ihrem Namen eröffnete, seitdem ist sie die Blaudruckerin von Jever. Seit 2014 gehört Blaudruck zum Immateriellen Kulturerbe. Die Tradition in dem alten Handwerk ist quasi dessen Seele. Sabrina Schuhmacher pflegt diese Handwerkstradition aus Leidenschaft, weiß aber: „Meine Zielgruppe müssen auch junge Menschen sein, damit der Blaudruck eine Zukunft hat. Die interessieren sich mehr für Accessoires und Mode als für Tischwäsche.“

Risiken gibt es für den Blaudruck wie für jedes alte Handwerk – der Farbstoff der tropischen Indigopflanze beispielsweise ist nicht leicht zu beschaffen, aber die Blaudruckerin verfügt noch über einen gewissen Vorrat. Höherpreisige Handwerksprodukte müssen dem Kunden zudem vermehrt erklärt und vermittelt werden.

Die Faszination des „blauen Wunders“

Biedere Blümchenmuster, barocke Ornamente und orientalisch-florale Formsprache – das Spektrum ihrer gut 600 historischen Druckstöcke aus Birnenholz ist weit. „Das Handwerk des Blaudrucks und Blaufärbens hat seine Wurzeln in Indien, und das sieht man den Ornamenten oft auch an, das Verfahren ist erst im 17. Jahrhundert von den Holländern nach Europa gebracht worden“, erläutert Sabrina Schuhmacher die Geschichte. Der Arbeitsprozess gipfelt im „blauen Wunder“, wenn die mit einer harzartigen Substanz, dem Papp, bedruckten Baumwoll- und Leinenstoffe aus der mit Indigofarbstoff gefüllten Küpe gezogen werden. Im Kontakt mit Sauerstoff oxidiert das Indigo und färbt den Stoff in ein unverwechselbar tiefes Blau. Die mit Papp bedruckten Stellen bleiben weiß. Sicher und mit Bedacht führt die Blaudruckerin ihre Handgriffe aus.

Schicke Kleidung und Auftragsarbeiten

Manchen ihrer Besucher sei der Preis für Produkte, die in einem so komplexen Verfahren gefertigt würden, schwer zu vermitteln, erzählt die Sabrina Schuhmacher. Sie hält mit Information und Öffentlichkeitsarbeit dagegen. „Es ist eben kein normaler Textildruck, den ich hier mache, es ist altes Handwerk.“ Inzwischen informierten sich auch Schulklassen in ihrer Werkstatt, und die Chefin der Blaudruck Jever GmbH weiß, dass das eine wichtige Zielgruppe für sie und die Zukunft ihrer Manufaktur ist.

Sie zeigt dann, dass sie als gelernte Schneiderin und studierte Modedesignerin auch schicke Kleidung mit diesen besonderen Stoffen fertigt. Es müsse sich allerdings noch mehr herumsprechen, dass sie beispielsweise auch Auftragsarbeiten übernehme. Das kann das Färben und Drucken eines eigenen Stoffs aber auch das Schneidern eines Sakkos oder eines Kleides sein.

Wer das „blaue Wunder“ mit Dekors von Barock bis Bauhaus einmal selbst erleben möchte, kann das gegen eine Gebühr von 7 Euro pro Person jeden Mittwoch ab 15 Uhr bei einer einstündigen Handwerksvorführung.

Christoph Hinz
Christoph Hinz Lokalredaktion, Jeversches Wochenblatt
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