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nordwest-zeitung

Innovation Dünner Dämmstoff auf Bio-Basis

Swantje Harms
Aerogele auf Basis von Lignin sollen für effiziente Dämmung sorgen.

Aerogele auf Basis von Lignin sollen für effiziente Dämmung sorgen.

aerogel-it

Osnabrück - Will man im Gebäudebestand Außen- oder Innenwände energetisch sanieren, braucht es bisher eine relativ dicke Dämmschicht. Ein Startup-Unternehmen aus dem InnovationsCentrum Osnabrück (ICO) hat einen Super-Dämmstoff auf rein biologischer Basis entwickelt, der die Branche revolutionieren und dieses Problem lösen könnte. Die neue Aerogel-basierte Dämmung ist dünner und leichter – das spart gerade in stark verdichteten Gebieten wertvollen Platz, insbesondere bei der Innendämmung, wo möglichst viel Raumfläche erhalten werden soll.

Ausgezeichnet mit dem Klima-Innovationspreis 2023 Niedersachsen

Entwickelt wurde der biobasierte Hochleistungsdämmstoff, der mit dem niedersächsischen Klima-Innovationspreis 2023 ausgezeichnet worden ist, von aerogel-it aus Osnabrück mit der Kooperationspartnerin Prof. Dr. Irina Smirnova von der Technischen Universität Hamburg-Harburg sowie weiteren Partnern – ermöglicht mithilfe finanzieller und fachlicher Förderung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Höhe von 125.000 Euro bis Ende 2024 und von der WIGOS Wirtschaftsförderungsgesellschaft Osnabrücker Land.

Entgegennahme des Klima-Innovationspreises Niedersachsen 2023 von Umweltminister Christian Meyer durch Dr. Marc Fricke (CEO) und Dr. Dirk Weinrich (COO) von aerogel-it.

Entgegennahme des Klima-Innovationspreises Niedersachsen 2023 von Umweltminister Christian Meyer durch Dr. Marc Fricke (CEO) und Dr. Dirk Weinrich (COO) von aerogel-it.

Pflanzenrohstoff als Grundlage

Der Clou: Er besteht aus Lignin, das unter anderem bei der Herstellung von Papier als Nebenprodukt anfällt. Um aus diesem Pflanzenrohstoff, der neben Zellulose als wichtigster Bestandteil von Holz unter anderem für die Stabilität von Bäumen sorgt, einen Hochleistungsdämmstoff zu erzeugen, haben die Gründer des Osnabrücker Start-ups aerogel-it eine ursprünglich vom Chemiekonzern BASF entwickelte Technologie weitergeführt. Das Innovative dabei: „Wir sind weltweit das einzige Unternehmen, das eine Aerogel-Dämmung auf rein biobasierten Rohstoffen herstellt“, betonen Geschäftsführer Dr. Marc Fricke (CEO & cofounder) und Entwickler Dr. Dirk Weinrich (COO). Der Dämmstoff Bioaerogel aus Lignin könne recycelt oder wiederverwendet werden und sei zu 100 % biologisch abbaubar.

„Zukunft Zuhause – Nachhaltig sanieren“

In unsanierten Häusern gehen nach Erkenntnissen der DBU-Initiative „Zukunft Zuhause – Nachhaltig sanieren“ bis zu 20 Prozent der erzeugten Wärme über das Dach verloren. Über ungedämmte Außenwände sind es sogar bis zu 25 Prozent. Mit dem biobasierten und hocheffizienten Aerogel-Dämmstoff will das Start-up aus Osnabrück zur Dekarbonisierung und Energieeffizienz im Gebäudebereich beitragen. Dies fördert zudem die Kreislaufwirtschaft und Wiederverwendung.

Mittelfristig sollen Wandelemente so gestaltet sein, dass sie sich leicht mechanisch montieren und demontieren lassen, um die Bauzeit vor Ort zu verkürzen. Bindemittel und Ortbeton werden soweit möglich vermieden. Reparaturen und Demontagen werden einfacher.

Schlanke Kombination von Carbonbeton mit Aerogel-basierter Wärmedämmung (Mitte und rechts, Silicaaerogel-Blanket und PU-Aerogel SLENTITE) verglichen mit Mineralwolle (links).

Schlanke Kombination von Carbonbeton mit Aerogel-basierter Wärmedämmung (Mitte und rechts, Silicaaerogel-Blanket und PU-Aerogel SLENTITE) verglichen mit Mineralwolle (links).

Aerogel-Dämmung verhindert Wärmeverlust

Aerogele sind sogenannte Super-Dämmstoffe, die „extrem leicht sind und fast vollständig aus mikroskopisch kleinen Poren bestehen“, sagt Dr. Michael Schwake, DBU-Experte für Umwelttechnik. Dadurch würden sie Wärme nur sehr schlecht transportieren. Die Folge: „Eine Aerogel-Dämmung verhindert viel stärker als herkömmliches Material einen Wärmeverlust – Energieverbrauch und Kosten sinken erheblich“, sagt Schwake. Aerogele können aus verschiedenen Stoffen hergestellt werden. Das Problem: „Bisher basieren sie fast ausschließlich auf fossilen oder energieintensiv gewonnenen Rohstoffen, zum Beispiel silikatischen Mineralen“, erklärt Schwake. Zudem waren Aerogele aufgrund der aufwändigen Herstellung stets teuer. Je nach Anwendung wird das Lignin-Aerogel als Pulver, Granulat oder Platte produziert. Die Produktionsanlage in Wallenhorst soll spätestens 2026 an den Start gehen. „Wir haben in diesem Jahr als vorgelagerten Schritt eine Pilotproduktion an der Technischen Universität Hamburg in Harburg in Betrieb genommen. Die ersten Kunden werden bereits mit dem Dämmstoff Bioaerogel beliefert, die Kapazitäten erhöhen wir in diesem Jahr Schritt für Schritt“, erklärt Gründer und Geschäftsführer Fricke gegenüber der NWZ. „Im Zuge der Sanierungs- und CO2-Einsparungsverpflichtungen werden Produkte wie unsere dringend gebraucht“, verweist Fricke auf die Klimaziele der EU.

Mit DBU-Förderung der Forschung voranbringen

Nicht nur in Gebäuden, sondern auch in Kühlgeräten und Funktionskleidung kann der Bio-Superdämmstoff aus Osnabrück nach Frickes Worten künftig eingesetzt werden. Mit der DBU-Förderung möchte das fünfköpfige Team die Forschung voranbringen und Prototypen testen. „Wir wollen uns als weltweit erstes Bio-Aerogel-Unternehmen am Markt etablieren und so schnell wie möglich unsere Kundinnen und Kunden bedienen“, sagt Fricke.

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