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nordwest-zeitung

Ölkrise brachte Sonntagsfahrverbot auch in Wittmund Tankstellen im Harlingerland teilen den Auto-Sprit zu

Etzel - „Wir beenden das alte Jahr mit großem Ernst“, resümierte Aurichs Regierungspräsident Hans Beutz Ende 1973. Und er wies darauf hin, wie sehr das tägliche Leben von Mächten und Gewalten außerhalb des eigenen Einflussbereiches abhängig sei. „Aber Gelassenheit und Selbstvertrauen gehören zu den Eigenschaften der Ostfriesen, mit denen sie bisher ihr Schicksal noch immer gemeistert haben und ganz gewiss auch zukünftig meistern werden“.

Was war passiert? Der Nahost-Konflikt eskalierte im Oktober 1973 mit einem arabischen Überraschungsangriff auf Israel, der erst nach schweren wechselvollen Kämpfen mit einem Waffenstillstand beendet werden konnte. Gleichwohl sahen sich Westeuropa, die USA und Japan mit einer schweren Energie- und Treibstoffkrise konfrontiert, weil die arabischen Lieferländer als politische Waffe drastische Preiserhöhungen und teilweise sogar einen Lieferstopp vornahmen.

Verfahrene Lage

Nun wurde auch den Menschen in den Dörfern und Städten des Harlingerlandes (der Landkreis zählte 53.000 Einwohner) deutlich, wie sehr man von den Öllieferungen aus dem Ausland abhängig war. Wilhelmshaven war der Ölhafen Westdeutschlands schlechthin, viele Menschen aus dem Südkreis hatten dort ihre Arbeitsstätte. Die heimische Wirtschaft schwächelte, denn die Umstrukturierung in der Landwirtschaft war längst nicht abgeschlossen, und aufgrund einer überaus geringen Industriedichte gab es kaum neue Arbeitsplätze. Der Fremdenverkehr war zwar schon hoch entwickelt, bot in aller Regel aber nur Saisonbeschäftigungen. Die Situation war irgendwie verfahren, denn die Frage nach der Zukunft der Dörfer war immer eine Frage nach wohnortnahen Arbeitsmöglichkeiten. Hätte es das Auto nicht gegeben, wäre deren Einwohnerzahl schon seit vielen Jahren geschrumpft.

Die Ölkrise 1973 sorgte für die Planungen, im Salzstock bei Horsten und Etzel ein unterirdisches Öllager anzulegen.

KEIN BENZIN AN DEN TANKSTELLEN Die Krise in den 1970er-Jahren beschleunigte Aufbau der Bundes-Rohölreserve

Karl-Heinz De Wall Etzel

Riesenandrang

Die Energiekrise erreichte im Herbst 1973 wohl den letzten Haushalt und führte auch im Landkreis Wittmund freitags zu bislang unbekannten Verkaufsmengen an den Tankstellen. Die Preise veränderten sich unablässig nach oben und erreichten oft 0,80 DM pro Liter Benzin. Diese schockartig kritische Situation ist den Menschen lange in Erinnerung geblieben. „Die Kundschaft spielte verrückt“, so ein Zeitzeuge. Es kam zu Polizeieinsätzen, diverse Tankstellen schlossen spontan oder hatten nur stundenweise geöffnet. Oft wurden nur noch 20 Liter pro Kunde ausgegeben und Reservekanister nicht mehr gefüllt. Ein Riesenandrang überall, denn am Sonnabendnachmittag und Sonntag blieben viele Tankstellen dicht. „Aral und Gulf sind momentan noch etwas unbesorgter, während Esso und BP schon mit erheblichen Versorgungsschwierigkeiten zu kämpfen haben“, hieß es im Harlinger.

Auto als Statussymbol

Als aus dem Bundeskanzleramt in Bonn verbreitet wurde, dass nicht jeder Arbeitsplatz gesichert werden könne, keimten rasch Ängste auf: „Vier autofreie Sonntage sind sicherlich erst der Anfang“. Die Menschen bangten um ihren in den Zeiten des „Wirtschaftswunders“ erarbeiteten Wohlstand.

Auch im Harlingerland wurden die autofreien Sonntage vom 25. November bis 16. Dezember 1973 durchgesetzt. Die Menschen, irritiert von vielen widersprüchlichen Meldungen und Preiserhöhungen, fügten sich notgedrungen. Das eigene Auto war schon zum Statussymbol für den wirtschaftlichen Aufschwung geworden; im Jahr 1960 waren im Kreis 3500 Pkw zugelassen; 1973 bereits 13.000. In allen größeren Orten hatten sich Tankstellen und Kfz-Werkstätten angesiedelt, die gut zu tun hatten. Und handwerklich geschickte Menschen führten kleine Reparaturen samt Reifen- und Ölwechsel selbst durch.

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