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Immobilienmarkt in Oldenburg Jedes Jahr über 1400 Wohnungen bauen

Symbolbild: In Oldenburg fehlt es an Mietwohnungen – insbesondere bezahlbaren.

Symbolbild: In Oldenburg fehlt es an Mietwohnungen – insbesondere bezahlbaren.

Archiv

Oldenburg - Wer eine Mietwohnung sucht, der kennt das: In Oldenburg fehlt es seit Jahren an Wohnraum – insbesondere an bezahlbarem. Das Pestel-Institut aus Hannover hat auch anhand von Zensus-Daten eine Regional-Analyse zum Wohnungsbestand durchgeführt. Ergebnis: Bis zum Jahr 2028 müssen in der Stadt über 1400 Wohnungen neu gebaut werden – und zwar pro Jahr.

„Der Neubau von jährlich 1420 Wohnungen ist notwendig, um das bestehende Defizit abzubauen und um abgewohnte Wohnungen in alten Häusern nach und nach zu ersetzen“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut. Die Zahl der aktuell fehlenden Wohnungen beziffert er mit 940 Einheiten.

Zensus-Daten

Trotz des großen Bedarfs geht das Baupensum aber zurück. So gab es in den ersten fünf Monaten dieses Jahres nach Angaben des Pestel-Instituts in der Stadt lediglich für 285 neue Wohnungen eine Baugenehmigung. Ein Minus von zehn Prozent innerhalb eines Jahres. Dabei gibt es zumindest theoretisch genug leerstehende Wohnungen. Bei der „Zensus“-Volkszählung im Mai 2022 wurden immerhin 2880 freie Wohnungen registriert. Für Günther zählt davon aber ein Drittel als „Karteileichen“. Diese Wohnungen standen seit einem Jahr oder länger leer. „Dabei geht es allerdings oft um Wohnungen, die auch keiner mehr bewohnen kann. Sie müssten vorher komplett – also aufwendig und damit teuer – saniert werden“, sagt Günther. Grundsätzlich sei ein gewisser Wohnungsleerstand aber immer auch notwendig. „Rund drei Prozent aller Wohnungen, in die sofort jemand einziehen kann, sollten frei sein. Schon allein, um einen Puffer zu haben, damit Umzüge reibungslos laufen oder Renovierungen bzw. Sanierungen gemacht werden können.

Klimaschutz-Vorschriften

Doch warum verzichten Hauseigentümer auf die Vermietung? Für Günther liegt das an einer großen Verunsicherung. Was muss man bei einer Sanierung beachten? Welche (Klimaschutz-)Vorschriften gibt es? Was ist mit der Mietpreisbremse? Auch wenn Oldenburg eine Großstadt ist, befinden sich viele Wohnungen in Zweifamilienhäusern. Gerade hier scheuen sich Eigentümer, Einliegerwohnungen zu vermieten. „Man weiß ja nicht, wen man sich da ins Haus holt“, so Günther im Gespräch mit der NWZ.

Ebenfalls recht häufig wird wegen Erbstreitigkeiten nicht vermietet. „Ein Erbe will lieber verkaufen, der andere vermieten. Bis es eine Lösung gibt, kann es dauern“, sagt der Experte. Und das Neubaugeschäft ist fast zum Erliegen gekommen. Auch wegen hoher Baupreise und Zinsen investieren Anleger aktuell kaum noch in Betongold.

Baustoffhandel klagt

Das Pestel-Institut hat die Analyse zum Wohnungsmarkt im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) durchgeführt. Und der leidet offensichtlich unter der aktuellen Politik in Berlin. BDB-Präsidentin Katharina Metzger warf Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) „Augenwischerei“ vor. Die Ministerin hat zuletzt Wohnungssuchenden geraten, aufs Land zu ziehen. Wobei die Lage im Ammerland beispielsweise ähnlich prekär ist.

Seltenheit im Ammerland: Nach Meinung des Pestel-Instituts müssten bis 2028 jedes Jahr 990 neue Mietwohnungen im Ammerland gebaut werden.

MIETMARKT IM AMMERLAND Jedes Jahr werden 1000 neue Wohnungen gebraucht

Jasper Rittner
Ammerland

Die Verbandschefin fordert, Baustandards zu senken: „Einfacher bauen – und damit günstiger bauen. Das geht, ohne dass der Wohnkomfort darunter leidet. Andernfalls baut bald keiner mehr.“ Es müsse ein starkes Abspecken bei Normen und Auflagen geben – im Bund, bei den Ländern und Kommunen. Wer 400.000 Neubauwohnungen im Wahlkampf verspricht, der dürfe nicht erst ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl wach werden.

Mietpreisbremse

Aktuell erlebe die Wohnungsbau-Branche „einen regelrechten Absturz“. Gleichzeitig treffe Wohnungsnot auf Nicht-Wohnungsbau. „Diese Entwicklung muss dringend gestoppt werden“, sagt Günther. Er kritisiert auch die Mietpreisbremse. „Die Diskussion um die hat nur dafür gesorgt, dass es für die Mieter teurer wird“, meint Günther und macht folgendes Beispiel auf. Eine langjährig vermietete Wohnung in Oldenburg kostete beispielsweise 5,30 Euro pro Quadratmeter. Nach dem Auszug der Mieter orientiert sich der Vermieter an der Mietpreisbremse – in diesem Fall etwa neun Euro. Darauf darf er noch zehn Prozent draufschlagen, macht 9,90 Euro pro Quadratmeter. „Aus preiswert wird teuer“, so sein Fazit.

Jasper Rittner
Jasper Rittner Chefreporter Oldenburg-Stadt/Ammerland
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