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nordwest-zeitung

Mentale Gesundheit Burnout und Depressionen im Studium – Elsflether über seine psychischen Erkrankungen

Immer mehr Studierende kämpfen während ihrer Studienzeit mit psychischen Erkrankungen. Ein Student von der Jade Hochschule in Elsfleth berichtet über seine Erfahrungen mit Depressionen, Burnout und Panikattacken.

Immer mehr Studierende kämpfen während ihrer Studienzeit mit psychischen Erkrankungen. Ein Student von der Jade Hochschule in Elsfleth berichtet über seine Erfahrungen mit Depressionen, Burnout und Panikattacken.

Tim Rosenau

Elsfleth - Einsam in einem Hörsaal voller Menschen. Gestresst von den Herausforderungen des nächsten Lebensabschnitts. Prüfungsängste und hoher Druck lasten auf den Schultern. Psychische Erkrankungen nehmen bei Studierenden laut einer Studie der Deutschen Studierendenwerke in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung in den vergangenen Jahren stetig zu. Befragt wurden in dieser Studie 30.000 Studentinnen und Studenten aus ganz Deutschland. Während 2011 noch 45 Prozent der Befragten angaben, unter studienerschwerenden psychischen Krankheiten zu leiden, waren es 2021 65 Prozent. Henning Ollmert, Student am Elsflether Standort der Jade Hochschule, macht diese Erfahrung selbst. Der 37-Jährige leidet an Burnout und Depressionen.

Psychische Erkrankungen entwickelten sich bei der Bundeswehr

Vor etwas mehr als zwei Jahren begann er sein Seeverkehrs- und Hafenwirtschaftsstudium. Seine psychischen Erkrankungen zeigten sich aber schon davor. Bis heute haben sie einen Einfluss auf seinen Alltag und damit auch auf sein Studium.

Bevor Ollmert sich als Student einschrieb, war der heutige Vertreter des Studierendenparlaments bei der Bundeswehr. Er habe immer mit Stolz gedient, aber nicht alle seine Erinnerungen an diese Zeit seien positiv. „Die psychischen Probleme begannen durch das Mobbing eines Vorgesetzten“, berichtet er. Dieser habe über Ollmert Gerüchte gestreut, die schnell um sich griffen und ihm das Leben schwer gemacht haben. „Das grenzte schon an Psychoterror.“ Auf Hilfe konnte er zu dieser Zeit nicht hoffen: „Die Bundeswehr ist eine altbackene Organisation. Der Umgang mit psychischen Erkrankungen zeigt das“, sagt Ollmert.

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Studiert an der Jade Hochschule in Elsfleth: Henning Ollmert

Ersten Anzeichen nicht selbst bemerkt

Diese Situation habe dann zur psychischen Belastung geführt, die sich anfangs vor allem in einer „kurzen Zündschnur“ widerspiegelte. „Ich habe grundlos Menschen angeschrien und das ist eigentlich total wesensfremd für mich“, sagt er. Ollmert erinnert sich an eine Begebenheit, als ein älterer Herr ihm auf einem Parkplatz eine Schramme in das Auto fuhr. „Eigentlich war das keinen großer Aufreger wert, aber ich bin außer Kontrolle geraten“, erinnert er sich.

Dieser Moment bleibt ihm bis heute im Gedächtnis: „Das hat mich dermaßen getriggert, dass mich drei Leute festhalten mussten“ – sonst wäre er auf den Mann losgegangen. Er habe sich in diesem Moment „wie im Tunnel“ gefühlt. Und erst nachdem eine ihm nahestehende Person ihn auf diesen Ausfall angesprochen hatte, bemerkte er sein Fehlverhalten.

Psychische Erkrankungen unter Studierenden nehmen zu. Die Jade Hochschule bildet ihre Mitarbeitenden als Ersthelfer für mentale Gesundheit aus (Symbolbild).

MENTALE GESUNDHEIT IN DER WESERMARSCH Jade Hochschule bildet Ersthelfer für psychische Erkrankungen aus

Tim Rosenau
Elsfleth

Suche nach einem Therapieplatz schwierig

Daraufhin suchte er sich professionelle Hilfe. Einen Therapieplatz zu finden, sei aber schwierig gewesen. Grund dafür sei der Mangel an Therapeutinnen und Therapeuten. Zu Beginn seines Studiums habe er dann noch einmal monatlich eine Therapiestunde besucht, mittlerweile sei dies aufgrund des weiten Fahrwegs nicht mehr möglich. Aber auch, weil ihm das Studium „viel Kraft raubt“. Heute würden sich seine psychischen Erkrankungen nicht in Wut, sondern eher in Antriebslosigkeit äußeren: „Ich kriege meinen Hintern nicht hoch und verpenne Vorlesungen. Mir fehlt es an Energie“, sagt er.

Heutiger Umgang mit mentaler Gesundheit

Ollmert habe mehrfach mit dem Gedanken gespielt, sein Studium hinzuschmeißen. „Es war alles zu viel“, sagt er. Dieser Stress sowie die Vorbelastung gipfelten in einer Panikattacke während einer Klausur. Alles, was Ollmert zuvor gepaukt hatte, war plötzlich weg. Der Kopf leer, die Gedanken trotzdem am Rasen. Er gab ein leeres Blatt ab. Das habe ihm gezeigt, dass er den Kampf gegen seine psychischen Krankheiten erneut angehen muss.

Gleichzeitig stürzt sich der 37-Jährige aber in diverse Aufgaben, ist im zweiten Jahr in Folge im Vorstand des Studierendenparlaments und arbeitet auf seinen Abschluss hin. Ihm sei bewusst, dass dieser Hang zum exzessivem Arbeiten seine mentale Gesundheit mehr belastet, als dass es ihr guttut, es helfe ihm aber dabei, sich abzulenken.

Immer mehr Menschen in der Wesermarsch leiden an Angststörungen und Depressionen. Das geht aus den Zahlen des Gesundheitsaltas der AOK hervor. 5,7 Prozent der Menschen in der Wesermarsch leiden unter Angststörungen. Das ist pronzentual der höchste Wert in Niedersachsen. Welche Symptome die Krankheiten haben, wie man sie erkennt und wo man Hilfe bekommt, erklärt das Gesundheitsamt des Landkreises. (Symbolbild).

MENTALE GESUNDHEIT Wesermarsch hat höchste Zahl an Angststörungen in Niedersachsen

Tim Rosenau
Wesermarsch

Studieren mit psychischer Erkrankung

Ein großes Problem unter Studierenden sei aber, dass mentale Gesundheit und psychische Erkrankungen immer noch ein schambehaftetes Thema seien. „Viele befürchten, einen Stempel aufgedrückt zu bekommen“, sagt er. Deshalb rät Ollmert allen Studierenden, die bemerken, dass sie Hilfe benötigen könnten, die Angebote von Anlaufstellen an ihren Hochschulen und Universitäten wahrzunehmen. Diese können erste Unterstützung bieten und dann, wenn nötig, an Professionelle weitervermitteln.

„Wer nicht redet, dem kann nicht geholfen werden“

Im Allgemein sei der Stress im Studium allgegenwärtig – und damit auch belastend für die Studierenden. „Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Ob Prüfungsangst, Depressionen, Krankheit oder Todesfälle in der Familie. Es gibt vielfältige Gründe“, sagt Ollmert. Deshalb rät er: „Man darf es nicht auf die leichte Schulter nehmen. Sondern muss mit Menschen, denen man vertraut, darüber reden – dafür sind Freunde da. Und wenn man nicht weiter weiß, gibt es viele Anlaufpunkte. Man muss verstehen, dass einen die Menschen nicht wegschicken, wenn man bei ihnen nach Hilfe sucht“, so der 37-Jährige. Letztendlich müsse man diese erste Hürde des Hilfesuchens aber überwinden, denn: „Wer nicht darüber redet, dem kann nicht geholfen werden.“

Tim Rosenau
Tim Rosenau Digitalteam Wesermarsch
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