Die Wärmewende sorgt auch weiterhin für Diskussionen. Aktuell im Gespräch sind Ideen, das Gasnetz in Deutschland zurückzubauen. Wir haben mit Torsten Maus, Chef von EWE Netz, darüber gesprochen, was auf Kunden des regionalen Netzbetreibers zukommt.

Ein Arbeitspapier sorgt für Aufsehen

Die Behörde von Klimaminister Robert Habeck (Grüne) hat ein Arbeitspapier in die Energiedebatte geworfen, in dem der Rückbau des deutschen Gasnetzes diskutiert wird. Bis 2045, so heißt es darin, werde das Netz für den Transport von fossilem Erdgas weitgehend überflüssig, da Deutschland dann klimaneutral sein will. „Gasverteilernetze werden am Ende der Transformation aller Voraussicht nach in deutlich geringerem Umfang benötigt als derzeit“, heißt es in dem Ideenpapier. „Entsprechend ist davon auszugehen, dass die Länge der Verteilernetze von derzeit über 500.000 Kilometern stark zurückgehen wird.“ Für Wirbel sorgten überdies Berichte, wonach in Augsburg schon innerhalb von zehn Jahren das Gas abgedreht wird – was die dortigen Stadtwerke aber dementierten.

Herr Maus, Sie sind verantwortlich für rund 60.000 Kilometer Gasnetz im Norden Niedersachsens, und Ostdeutschlands. Wie plant EWE für die Zukunft dieses Netzes unter den aktuellen Rahmenbedingungen?

Torsten MausUnsere Erdgaskunden können beruhigt sein: Wir versorgen unser Netzgebiet weiter wie gewohnt sicher und verlässlich mit Erdgas. Ein Versorgungsstopp für Erdgas ist erst zum Jahr 2045 gesetzlich vorgeschrieben. Unsererseits gibt es derzeit keine Planung für einen früheren Ausstieg. Was das Arbeitspapier des Bundeswirtschaftsministeriums angeht: Auch wir prüfen derzeit, welche Auswirkungen es auf unsere bisherige Strategie und Transformationsprozesse hat.

Wie haben sich die Investitionen in das EWE-Gasnetz in den vergangenen Jahren entwickelt?

MausEines vorab: Die Sicherheit des Erdgasnetzes und die verlässliche Versorgung der Nutzerinnen und Nutzer haben für uns weiterhin oberste Priorität. In den Unterhalt der Netze investieren wir also weiter, wie bisher. Zusammen mit den Kosten für den Netzausbau haben wir bislang jährlich rund 50 Millionen Euro investiert. Doch der Ausbau fällt nun weitestgehend weg. Auch Neubaugebiete schließen wir nicht mehr ans Erdgasnetz an, weil sich dort strombasierte Lösungen etabliert haben. Somit sinken die jährlichen Investitionskosten um mehr als die Hälfte.

Kommt für Sie ein physischer Rückbau der Netze infrage?

MausUnser Erdgasnetz ist eines der sichersten Versorgungsnetze der Welt, aufgebaut mit Milliarden an Investitionen und wir haben mehr als 60 Jahre Erfahrungen mit der Erdgasversorgung – als ältester Erdgasversorger Deutschlands. Da ist es sicher vernünftig, diese geschaffenen Werte zunächst zu erhalten. Wir stehen heute 20 Jahre vor dem gesetzlichen Erdgas-Ausstieg. Einen flächendeckenden Rückbau sollten wir unbedingt vermeiden. Dieser wäre mit immensen Kosten und zig Baustellen in jeder Kommune verbunden.

Bei vielen Gebäuden wird im Zuge der Wärmewende die energetische Sanierung wichtig.

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Sie weisen darauf hin, dass das EWE-Netz technisch zum Teil aufgrund seiner Beschaffenheit für den Transport von (grünem) Wasserstoff geeignet ist. Gleichzeitig heißt es in dem Papier aus dem Habeck-Ministerium, dass eine dezentrale Wasserstoffversorgung von einzelnen Haushalten im Wärmesektor wegen der hohen Kosten und beschränkt verfügbaren Mengen wenig wahrscheinlich sei. Was wird künftig durch die EWE-Röhren fließen?

MausTechnisch gesehen könnten die Erdgasleitungen zum Beispiel für Wasserstoff oder Biomethan genutzt werden. Bei Bedarf auch abschnittweise. Oder als Leerrohre, zum Beispiel für Glasfaserkabel. Die zukünftigen Nutzungen werden ortsbezogen sehr unterschiedlich sein. Dazu stehen insbesondere noch die Ergebnisse der individuellen kommunalen Wärmeplanungen aus, die auch wir mit vielen Städten und Gemeinden gemeinsam erstellen. Als Netzbetreiber wollen wir möglichst flexibel für mögliche zukünftige Nutzungsarten aufgestellt sein. Entscheidend sind für uns letztlich die Kundenbedarfe und die politisch-gesetzlichen Vorgaben, die wir umzusetzen haben.

Gaben per Buzzer den Startschuss für das Projekt „Kommunale Wärmeplanung“: (von links) Dr. Urban Keussen (EWE-Vorstand Technik), Börge Wenholz (EWE Netz), Stadtbaurätin Christine-Petra Schacht und Oberbürgermeister Jürgen Krogmann.

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Ein Energienetz ist um so wirtschaftlicher, je mehr Abnehmer angeschlossen sind. Wenn nun die Haushalte vermehrt andere Heizungstechnologien wie Wärmepumpen nutzen und sich vom Erdgas verabschieden, müssen dann die verbleibenden Kunden mit höheren Netzkosten rechnen?

MausWir haben rund 800.000 Erdgasnutzer in unserem Netzgebiet. Einige steigen bereits um, zum Beispiel auf die Wärmepumpe. Doch diese Entwicklung verläuft bislang sehr moderat. Was die Kosten angeht, die werden jährlich auf alle Erdgasnutzer umgelegt - als Bestandteil des Erdgaspreises. Sinken die Nutzerzahlen stärker, als die Kosten für das Netz, würde dieser Betrag pro Nutzer steigen. Die Bundesnetzagentur arbeitet hier an entsprechenden Transformationsmodellen.

Es wird diskutiert, den Energieversorgern ein Kündigungsrecht gegenüber ihren Kunden einzuräumen, wenn sie nicht mehr wirtschaftlich versorgt werden können. Das steht sicherlich nicht kurzfristig an. Aber auf mittlere Sicht?

MausUnsere Rolle ist die, des technischen Möglichmachers. Sollte also in 20 Jahren tatsächlich die Situation entstehen, dass das Erdgasnetz nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann, dann würden wir mit den verbleibenden Nutzern eine sinnvolle Lösung finden. Wir sind überzeugt: Egal, was die Zukunft bringt – wir haben das Netz dafür.

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