Emden/Ostfriesland - Drohen Ostfriesland in diesem Winter neue Bauernproteste? Für den 23. November hatte der bayrische Landwirtschaftsverein „Hand in Hand“ vergangene Woche zu einer Demo in Berlin aufgerufen und wirbt dafür aktuell in der ganzen Republik für Mitstreiter. Im Vorjahr hatten Tausende Landwirte aus dem Nordwesten regionale Protestfahrten organisiert oder mit Fahrzeugen unterstützt – aktuell wartet man jedoch Entwicklungen in Berlin ab. Grundsätzlich ausschließen wollten jedoch weder der Landwirtschaftliche Hauptverein Ostfriesland (LHV) noch örtliche Vertreter der Vereinigung „Land schafft Verbindung“ (LSV), dass künftig wieder Treckerkolonnen rollen. „Zu diesem Zeitpunkt, ohne eine neue Bundesregierung, sind keine Demonstrationen geplant“, sagte LHV-Präsident Manfred Tannen, der auch Vize der Landwirtschaftskammer Niedersachsen ist, gegenüber der Redaktion. Das können sich theoretisch jedoch ändern – denn zufrieden mit dem Stand der Dinge auf agrarpolitischer Seite sei die Branche nicht. „Uns ist aber auch wichtig, dass wir Stabilität in die aktuelle Großwetterlage bekommen“, so Tannen weiter. „Wir hoffen auf schnelle Neuwahlen, damit wir wieder Ansprechpartner bekommen.“ Auf diese setze man dann jedoch auch Erwartungen.
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Ampel-Agrarpaket war Nullnummer
Auch bei LSV gibt es für Ostfriesland momentan keine konkreten Protest-Pläne, wie Fokko Schumann aus Hage auf Nachfrage sagte. Er ist zugleich Sprecher für die Verbindung „Freie Bauern“ und organisierte unter anderem im Vorjahr eine Wolfs-Demo in Aurich mit 3000 Teilnehmern mit. LSV-Mitglied Andree Wolff aus Wiesmoor bestätigte das derzeitige Abwarten. „Der Aufruf für November ist uns bekannt, aber das macht wenig Sinn, da es ein Samstag ist und auch keine Sitzungen in Berlin stattfinden.“ Auf Bundesebene hatte LSV am 7. November in einem Schreiben zum Ampel-Aus allerdings mitgeteilt, „LSV Deutschland schließt neue große Bauernproteste unter seiner Führung nicht aus“. Diese Drohung bleibt demnach vorerst aber eine solche, auch für Ostfriesland. Denkbar sei das erneute Rollen von Treckerkolonnen aber schon, so Wolff. Denn es gebe es große Unzufriedenheit unter hiesigen Bauern – von politischen Zusagen aus dem Frühjahr sei in der Praxis wenig geblieben. „Als Beispiel sei das Glattziehen von Umsatzsteuer genannt, mit dem kleine Betriebe aktuell benachteiligt werden, weil sie unterm Strich mehr bezahlen müssen“, erklärte er gegenüber der Redaktion. Auch wenn einzelnen Höfen im Jahr vielleicht nur ein paar Tausend Euro fehlten, gingen der Zunft insgesamt Milliarden Euro verloren, die nicht mehr investiert werden können.
Strukturelle Probleme der Branche
Das, sowie eine strukturelle Benachteiligung hiesiger Landwirte im EU-weiten Wettbewerb, hatte auch Manfred Tannen im Juni in einem NWZ-Interview kritisiert. Das Agrarpaket der nun zerbrochenen Ampelkoalition habe nie gegriffen, oder die Probleme der Bauern in Niedersachsen hinreichend gelöst. Als weitere große Baustellen gelten überbordende Bürokratie, eine sich zu schnell verändernde Lage von Verboten für Düngemittel und Pestizide sowie widersprüchliche Vorgaben für Stall-Neubauten.